Toolbox: Stephen Willats – Languages of Dissent
Toolbox – der digitale Ausstellungsguide – ist ein neues Kunstvermittlungsangebot des Migros Museum für Gegenwartskunst. Die Toolbox enthält nicht nur Informationen zu Kunstwerken, Kunstschaffenden und Kunstgeschichte, sondern schafft auch eine weitvernetzte Verbindung zwischen Kunst und Lebensalltag.





A Difficult Boy in A Concrete Block - Gegenbewusstsein im Sozialwohnungsbau
Der britische Konzeptkünstler Stephen Willats (1943*, London) versteht seine künstlerische Tätigkeit als gesellschaftlichen Prozess. Seine Hauptthemen sind Kommunikation, soziales Engagement und Partizipation. In den Mittelpunkt seines Schaffens stellt er sein Publikum und den Wunsch, dass das Kunstwerk die Betrachtenden selbst zum Handeln motiviert, und dass sie das Werk dergestalt fortsetzen. Dies erlaubt es Willats, mit einem kritischen Blick auf die etablierte Kunstwelt, seine Projekte in einem konkreten Lebensalltag zu realisieren. Der Künstler interessiert sich für die kreative Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Normen - vor allem für deren Verweigerung.
Mit Blick auf dieses Gegenbewusstsein fragt sich Willats seit Anbeginn seines Schaffens in den frühen 1960er Jahren, welche Freiräume, Formen des Selbstausdrucks oder Brüche mit den Gesellschaftsstrukturen sich Menschen schaffen können. Mit diesem Fokus auf eine Transformation des Bestehenden trifft der Künstler in den 1980er Jahren auf Gegenkulturen in der Post-Punk-Szene der konservativen Thatcher-Ära in Musikclubs oder auch in Londons Sozialbausiedlungen wie zum Beispiel Hackney.
Hackney (Quelle: You Tube)
In 1960ern noch Sinnbild der Zukunft, sind die Hochhäuser zwanzig Jahre später Inbegriff von Isolation, Drogen- und Bandenkriegen. Die Hochhaussiedlung wurde für die Menschen, die hier in Sozialbauten lebten, zu einem Betongefängnis, wie der Beitrag zum Stadtteil Hackney im Osten Londons von 1985 veranschaulicht. Heute ist Hackney eine bei jungen, kreativen Menschen angesagte Wohngegend, das Viertel wird stetig aufgewertet, was zu hohen Mieten und der Verdrängung der sozial Benachteiligten führt. Ein typischer Fall von Gentrifizierung, wie es unter anderem das deutsche Institut für Urbanistik beschreibt
Der Punk kam Mitte der 1970er Jahre auf und bestimmte von Grossbritannien ausgehend neue Formen des politischen Widerstands: Seine Merkmale waren Provokation und Nonkonformismus in Musik, Mode und eine Kultur des «Do it yourself», die ihre eigenen Partyflyer gestaltet oder Musikkassetten aufgenommen hat.
Trailer: Punk in London (Quelle: Youtube)
Das rund 3,5 auf 5,5 Meter grosse Werk A Difficult Boy in a Concrete Block besteht aus Schwarzweissfotografien, dreidimensionalen Alltagsobjekten, Betonelementen (engl.: concrete block), handgeschriebenem Text, Klebeband und Ornamenten welche direkt auf die Wand aufgemalt wurden. Willats gestaltet eine sogenannte Collage (von frz. coller, kleben) indem er verschiedene Elemente auf die Unterlage anbringt und ein neues Ganzes gestaltet: Fotos kombiniert Willats mit Texten und Alltagsobjekten, wobei die Schnürstiefel, Zigarettenschachteln, selbst gestalteten Partyflyer oder selbst bespielte Musikkassetten die Verwandlung von einem banalen Objekt in ein Zeichen der Gegenkultur verkörpern. Im Hintergrund werden die Gegenstände von Farbflächen gerahmt oder sie entwickeln sich in den Raum hinein. Der Künstler erarbeitete das Gesamtkonzept und schuf die vier Tafeln, den Rest des Werks gestalten Techniker*innen jeweils jedes Mal neu vor Ort, da die Wandfarbe direkt aufgetragen und nach Ausstellungsende wieder übermalt wird.


Die grossformatige Arbeit gehört zur Werkgruppe Night Works der 1980er Jahre. Für Willats bedeutete das Nachtleben eine wichtige Erfahrung. Die nächtliche Subkultur, im speziellen Clubs der Punkszene, setzte in Willats Augen das Potenzial frei, sich zu verwandeln. Die Punks wurden zu Mitwirkenden eines Gegenbewusstseins, das sich nicht nur in der Nacht sondern überall Geltung verschaffte. Der Künstler interessierte sich für die Punk-Szene weil diese selbstorganisiert und selbstbestimmt war und in Form einer do-it-yourself-Haltung über ihre eigenen Produktions- und Konsumgewohnheiten nachdachte. Er wünscht sich für sein Ausstellungspublikum einen Erkenntnisgewinn, der von der Lebenshaltung der Punks ausgeht:
«Die Punks beziehungsweise die Menschen der Nacht hinterliessen ihre Verweise an mehr oder weniger neutralen Orten, transferierten und transformierten Objekte, um so ein soziales und ästhetisches Umfeld zu kreieren, in dem sie ihre eigenen Empfindungen frei zum Ausdruck bringen konnten. Ich wünsche mir, dass die Besucher dieser Ausstellung sich auf eine ganz ähnliche kognitive Erfahrung einlassen würden, und zwar nicht nur im Kontext meiner Arbeit, sondern ebenso und vor allem in ihrem eigenen Leben.» Stephen Willats (Quelle: Andrew Willson, Ausstellungskatalog Migros Museum für Gegenwartkunst, 2019
Dank seiner regelmässigen Clubbesuche und den Kontakten, die er dort knüpfte, bekam Willats auch Zugang zu den Privatwohnungen der „Nachtgestalten“. Er erkannte, dass die Wohnungen für ihre Selbstdarstellung und als Ausdruck des Gegenbewusstseins durch eine Recodierung der Objekte sogar noch wichtiger waren als die Clubs. Im Werk A Difficult Boy in a Concrete Block sieht man Pfeile, welche Fotos und Alltagsobjekte aus dem Leben des porträtierten Punks namens John verbinden. Diese einfachen Diagramme vermitteln das Alltagsgeschehen: Banalitäten wie ein Zettel mit „Punk lives ask resident“ oder eine allgemeine Ordnungstafel des Bezirks Hackney verwandeln sich in aufschlussreiche Informationen, welche durch handschriftliche Statements ergänzt werden. Auf der linken Tafel steht beispielsweise unter der Frage „Are you bold enough to escape? (Bist Du kühn genug um zu fliehen?)“ wie John Angst davor hat, in der Siedlung alleine umherzugehen, weil er einmal verprügelt wurde. Auf der rechten Tafel schildert er unter „Being crushed by a concrete block (von einem Betonblock erdrückt werden)“ wie er sich vorstellt, dass ein Blitzschlag das gesamte Gebäude zerstört und er selbst keine Angst vor dem Sterben habe. Damit kommt auch eine für die Punkbewegung typische No-Future-Haltung zum Ausdruck.

- Die Arbeit von Willats macht das Aufbegehren gegen gesellschaftliche Normen sichtbar: Wie nehmen Sie die Realität um sich herum wahr? Gibt es Dinge, die Sie verändern würden?
- Welche Identitätsentwürfe lässt unsere Gesellschaft zu, welche negiert sie?
- Wo braucht es zur Veränderung vielleicht auch Widerstand und in welcher Form kann er ausgelebt werden?
Das Link-Highlight
Stephen Willats spricht über die Rolle von vielleicht auf den ersten Blick banalen Objekten und die Sprache der Dinge in seiner künstlerischen Arbeit:
Stephen Willats speaks about his exhibition at Galerie Thomas Schulte, 2018 (Quelle: Youtube)



Multiple Clothing – Mode als Form der Kunst und Kommunikation
Stephen Willats befasst sich seit Mitte der 1960er Jahre mit Kleidung als Kunst, denn er begreift sie als Kommunikationsmittel, anhand dessen sich Menschen im sozialen Kontext positionieren. Der Künstler taucht mit diesem wissenschaftlichen Ansatz in einen Diskurs ein, der in zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einsetzte und Kulturwissenschaftler*innen, Soziolog*innen sowie Philosoph*innen beschäftigt. In ihrer Publikation „Absolute Fashion“ versammelt die Kulturwissenschaftlerin Sonja Eismann unter anderem die wichtigsten Texte von Georg Simmel, Roland Barthes oder Pierre Bourdieu zur gesellschaftlichen Rolle der Mode. Eine Buchbesprechung des Deutschlandfunks fasst die Publikation zusammen.
«The designs presented in Multiple Clothing express the concept of self-organisation. This idea of self-organisation is equated with the creative freedom to organize and express our personal identity and feelings within society.
The determinism of normas and conventions originating from contemporary society is psychologically reductive and inhibits personal creativity. In contrast, each Multiple Clothing design provides a radically different approach to the display of interpersonal codes that is responsive to the complexity and relativity of people’s self-expression, enabling the wearers to construct whatever they wish to say about themselves... » Stephen Willats
Quelle: Website Stephen Willats. Willats zitiert: Multiple Clothing, Designs 1965 – 1999, Stephen Willats, Walther König, Cologne, 2000
Mittels dieser spielerischen Kommunikationsform greift der Künstler immer wieder Fragen der persönlichen Identität, des kreativen Selbstausdrucks und des sozialen Verhaltens auf. Er begreift Identität nicht als statische Konstante, sondern als Variable, die sich je nach individueller Befindlichkeit, gesellschaftlichem Kontext oder Tageszeit verändern kann.
Der Künstler veranstaltete seit den 1990er Jahren mehrere partizipative Events zur Multiple Clothing Serie, wie auch im öffentlichen Raum, zum Beispiel in einer Einkaufsstrasse in Utrecht im Jahr 2008.
In seiner Entwurfsskizze zu Multiple Clothing Modern Dream von 1991 setzt Willats statt den Tafeln aus Papier kleine Monitore ein, die über eine Fernbedienung im Ärmel mit den Botschaften, Gedanken oder Reaktionen auf ihre Umwelt bespielt werden können.

«I consider clothing as an important area of strategy in art, as a territory of expression that takes the artist right into the realm of reality that is very much a parameter to people’s experience of society. So the works I have developed as clothing are made to be worn, though there is a clear difference for the wearer with the clothes they might normally wear, so that the act of wearing my clothes differentiates the experience from normality in the surrounding world. My intention is that in wearing one of these clothes you yourself become an integral manifestation of the work, and your internalization of the meaning of the work is through that act of wearing it, and subsequently what happens to you as a result. The works alter your interpersonal relationship with the other people you come into contact with, and alter their relationship with you…..» Stephen Willats
Quelle: Multiple Clothing, Designs 1965 – 1999, Stephen Willats, Walther König, Köln, 2000
- - In seiner Werkgruppe Multiple Clothing schafft Willats Kleidung als Kunstwerke, welche die Träger*innen dazu auffordern, ihre Stimmungen direkt mit Worten wie „wild“ oder „cool“ auf der Bekleidung zu kommunizieren. Wann denken Sie, braucht es auf der Kleidung, die immer eine Form von Kommunikation darstellt – diese direkte Ansprache?
- - Stellen sogenannte Statement-T-Shirts in der aktuellen Mode mit Aufdrucken wie „Cute“ oder „I need Space“ im Sinn von Willats eine direkte Kommunikation her? Tragen wir damit unsere Stimmung zur Schau, wollen wir unsere Lieblingsband kundtun, geht es darum, Humor zu zeigen oder ist es einfach nur ein Modetrend, der nichts bedeutet?
- - Willats sieht in der Mode eine wichtige Ausdrucksform und interessiert sich dafür, wie das Tragen von bestimmten Designs die Beziehung zu anderen Menschen, aber auch zu sich selbst verändert. Können Kleider die Beziehung zu Menschen untereinander verändern, wie es sich Willats wünscht?
Das Link-Highlight
Stephen Willats Serie Mutliple Clothing aus den 1960er Jahren wird 2006 in der Tate Gallery London mit den Besuchenden als Performance aufgeführt.





Interaktive Arbeiten – Das Werk entsteht durch die Teilhabe des Publikums
Ende der 1950er erkannte Stephen Willats, dass ein Kunstwerk – und sei es noch so aussagekräftig und wichtig – ohne ein Publikum nicht bestehen kann. Er begann über die Rolle von Kunst in der Gesellschaft und dem Verhältnis zwischen Künstler*in, Werk und Betrachter*in nachzudenken, denn er wollte mit seiner Kunst eine Veränderung bewirken.
Dies führte Willats zur Beschäftigung mit verhaltens- und lerntheoretischen, später mit kybernetischen Fragestellungen, die es ihm ermöglichten, das tradierte Gefälle zwischen Künstler*innen und Rezipient*innen zu durchbrechen.
Was sind Lerntheorien?
Eine Vielzahl an Modellen und Hypothesen, versuchen den Prozess des Lernens zu beschreiben. Bei den meisten dieser lerntheoretischen Ansätze wird eine einzelne, besondere Form des Lernens beschrieben und erklärt. Das Video vermittelt eine Übersicht über die klassischen Lerntheorien.
Lerntheorien - Vom Behaviorismus bis zum Konnektivismus (Quelle: Youtube)
Willats stellte daher sein Publikum und nicht das Kunstwerk in den Mittelpunkt seiner Arbeit. Als Künstler war Willats von Gordon Pask (1928-1996) beeinflusst, den er in einem Vortrag am Ealing College erlebt hatte. Pask hatte als Student der Cambridge Universität Vorlesungen von Norbert Wiener (1894-1964), dem Pionier der Kybernetik besucht.
Kybernetik (griechisch: kybernetes = Steuermann) ist die Wissenschaft der Steuerung von Maschinen, lebenden Organismen und sozialen Organisationen. Die Kybernetik begreift sie als System mit einem bestimmten Ziel. Sie liefert Strategien und Werkzeuge für die Entwicklung und Umsetzung von Lösungen. Kybernetik ist auch eine Betrachtungsweise, mit der das Denken, Kommunizieren und Handeln der Menschen analysiert - und unter Umständen auch beeinflusst - werden kann. Anwendungen findet die Kybernetik heute in Informatik, Wirtschaftsmanagement, Psychologie oder Pädagogik.
Norbert Wieners Kybernetik in 90 Sekunden (Quelle: Youtube)
„Die Kybernetik war eine Sprache, die es uns erlaubte, eine Kritik – und zwar eine validierte Kritik – jener Welt zu entwickeln, die wir verändern wollten. Sie forderte die Etablierung eines Gegenbewusstseins geradezu heraus.“ Stephen Willats
Quelle: Ausstellungskatalog Migros Museum für Gegenwartskunst. Stephen Willats, Interview mit Bronac Ferran, London, Dezember 2018
Als Willats sich mit der Kybernetik zu beschäftigen begann, erkannte er, dass es sich beim menschlichen Geist um ein lebendiges lernendes System handelt, das auf Kontrollbefehle, Signale und Auslöserimpulse reagiert. Von Anfang 1964 bis 1968 befasste er sich daher mit der Frage, wie sich die Wahrnehmung eines Publikums durch phänomenale Erfahrungen modifizieren lässt.
Seine Auseinandersetzung mit der Funktionsweise von Kontrollsystemen hatte in erster Linie zum Ziel, Widerstandstechniken im Sinne von Selbstbestimmung zu entwickeln und zu dokumentieren und immer mehr zu verfeinern.
Um die Rezipient*innen aus ihrer passiven Betrachtungshaltung herauszuholen, gestaltete Willats Werke, die eine aktive Miteinbeziehung verlangen. Der Künstler ist zu der Erkenntnis gekommen, dass die direkte Auseinandersetzung mit einer Erfahrung mehr Einfluss auf das menschliche Bewusstsein hat und somit Veränderungen in der Wahrnehmung besser möglich sind.
So entstehen anfangs der 1960er Jahre partizipative Arbeiten. Rezipienten werden eingeladen, die Werke mitzugestalten und anhand von Antwortbögen ihre eigenen Entscheidungen zu reflektieren. Diese Werke stellen eine Verbindung dar zwischen dem Kunstwerk und dem Leben der Rezipient*innen her. Dabei geht es nicht um strenge Handlungsanweisungen, ein richtig oder falsch, sondern vielmehr um die Erkenntnis der Relativität unserer Wahrnehmung, Bedeutung und Einstellungen. Sie alle können sich verändern und der Künstler bietet mittels seiner Werke das Angebot zur kreativen Auseinandersetzung. Es ist eine Grundprämisse von Willats, dass jeder Mensch Veränderung bewirken kann. In seinen Werken möchte er diesen Prozess anstossen.
So findet sich eine Reihe von Werken, welche das Publikum zur aktiven Teilnahme und Wahrnehmung anregen und ein Angebot zur kreativen Veränderung bieten. Ein zentrales künstlerisches Interesse von Willats ist die Unterscheidung zwischen selbstbestimmten und fremdbestimmten Verhalten. Letzteres wird durch Kontrollmechanismen ausgelöst, die durch Muster in der Gesellschaft erzwungen werden. Diesen Zwängen sind immer Möglichkeiten einer kreativen Auseinandersetzung entgegengestellt, die Willats auslösen will. Transformation ist ein fundamental kreativer Prozess für Willats, der einhergeht mit physischen und psychischen Neubewertungen.

Environmental Box (1962) lässt eine Kunstrezeption mit allen Sinnen. Die Rezipienten sind eingeladen, verdeckt Gegenstände zu ertasten und eine Zeichnung ihrer Vorstellung zu machen. Hier bei wählen die Besucher*innen als erstes eine bunte Scheibe, mittels derer sie die Fächer mit den Gegenständen abdecken. Auf einem leeren Blatt an einem Cliopboard fertigen sie ihre Zeichnung an, welche danach an der Wand daneben aufgehängt wird. So können die folgenden Besucher*innen sehen, was das Resultat des Blind-Ertastens zeigte, nicht aber den Gegenstand selbst.

In Organic Exercise No. 1 - Manual Variable Construction (1962/2019) stehen 48 weisse Gipsblöcke auf einem Raster bereit, um von den Rezipient*innen immer neu arrangiert zu werden. Das Publikum erfährt einen Prozess der konstanten Veränderung, bei der der Einsatz eines jeden gleichermassen bedeutend ist. Das Kunstwerk ist somit das Medium dieser Veränderung.

Eins der zentralen Werke dieser Ausstellung ist die von Stephen Willats programmierte Computersimulation Meta Filter (1975). Nach vierjähriger Entwicklungsarbeit wurde die Arbeit in London das erste Mal der Öffentlichkeit präsentiert. Das Werk ist als ein grosser grauer Körper gestaltet, an dessen gegenüberliegenden Seiten zwei Personen sitzen und auf einem Display eingespielte Fotos von verschiedenen Situationen der zwischenmenschlichen Kommunikation benennen müssen. Rund 90 Begriffe wie „stolz“ oder „nachdenklich“, „arrogant“ stehen zur Wahl. Die Installation ist mit einem Programm ausgestattet, dass die beiden Personen parallel zu ihren Wahrnehmungen und Reaktionen solange befragt werden, bis es zu einem Zustand des Konsenses kommt. Damit wendet Willats ein kybernetisches Grundprinzip auf einen Kommunikationsprozess anhand des interaktiven Kunstwerks an.
Zu jedem Bild müssen die Teilnehmer*innen eine Frage mit einem Begriff aus der angegebenen Auswahl beantworten und ins «Problem Book» eintragen. Dann werden die Reaktionen verglichen, wobei es nicht darum geht Recht zu haben, sondern dass die Teilnehmer*innen untereinander einen für beide akzeptablen Weg zur Beschreibung der Situation finden und so zu einem Einverständnis gelangen. Die Teilnehmer*innen sollen die jeweils andere Wahrnehmung nachvollziehen können, um gemeinsam eine Lösung zu finden.
Insgesamt werden zwölf Serien an Bildern vorgelegt, durch die sie das Programm führt. Solange keine Übereinstimmung gefunden wird, bleiben beide innerhalb der Serie stehen. Die Teilnehmer*innen sind eingeladen, am Schluss ihre Antworten mitzunehmen und die Kopie anonym an die Wand zu hängen, sodass andere ihre Interpretationen der Situationen vergleichen können. So wird die Vielzahl der verschiedenen Bewertungen der gleichen sozialen Situationen ersichtlich und es findet eine Bewusstwerdung der Relativität der eigenen Wahrnehmung statt. Ein Durchlauf dauert durchschnittlich zwei Stunden, kann sich aber erheblich verändern, wenn sich kein Konsens findet.
- - Was halten Sie von Grundeinstellung des Künstlers, dass jeder Mensch Veränderung bewirken kann?
- - Denken Sie, dass Bewusstwerdung der Relativität der eigenen Wahrnehmung zu einer Veränderung führen kann?
- -Stephen Willats gestaltet Kunstwerke, die zum aktiven Mitmachen anregen - wobei es kein „richtig“ oder „falsch“ gibt. Das Handeln steht im Mittelpunkt. Wie würden Sie darauf reagieren?